Scheidung Berlin
Fachanwalt Scheidungsrecht Berlin

Ehegatteninnengesellschaft

Haben Ehegatten z. B. gemeinsam Immobilien erworben, ein Unternehmen betrieben oder in anderer Art planvoll und zielstrebig Vermögen gebildet, so könnte eine Ehegatteninnengesellschaft vorliegen. Ein Vermögensausgleich kommt in diesen Fällen nicht nur über den Zugewinnausgleich in Betracht, sondern auch nach Gesellschaftsrecht. Ein Ausgleich nach den Grundsätzen der Ehegatteninnengesellschaft kann neben dem Zugewinnausgleich verlangt werden (Kammergericht Beschluss vom 8.5.2012, Az. 17 UF 310/11).

In diesem Fall bejahte das Gericht eine Ehegatteninnengesellschaft:

Die Ehefrau war als Zahnärztin selbstständig tätig. Der Ehemann hatte früher einen anderen Beruf erlernt, dann jedoch zusammen mit der Frau die Zahnarztpraxis aufgebaut. Er hatte sich dort um die Finanzen gekümmert und auch klassische Tätigkeiten eines Zahnarzthelfers ausgeübt.

Nach der Trennung forderte der Ehemann von der Ehefrau Zugewinnausgleich. Er konnte jedoch keinen Ausgleich erhalten: Da die Ehefrau einiges an Vermögen von ihren Eltern geerbt hatte und dieses Vermögen im Laufe der Ehe teilweise aufgezehrt wurde, hatte sie am Ende der Ehe weniger Vermögen als sie über die Erbschaft erhalten hatte. In diesen Fällen scheitert ein Zugewinnausgleich, der Ehemann ging leer aus.

Da der Ehemann jedoch seit Jahren seine Arbeitskraft im gleichen Umfange wie die Ehefrau in die Zahnarztpraxis investierte, für die Kredite der Zahnarztpraxis haftete und die gesamte finanzielle Planung verantwortete, forderte er einen Ausgleich über den Weg der so genannten Ehegatteninnengesellschaft. Da außergerichtlich ein Ausgleich abgelehnt wurde, klagte er in der ersten Instanz. Das Gericht lehnte seine Klage ab mit der Begründung, er könne nicht ohne Zahnarztzulassung eine Zahnarztpraxis im Rahmen einer Ehegatteninnengesellschaft ausüben.

Das Kammergericht bejahte auf die Beschwerde des Ehemannes hin eine Ehegatteninnengesellschaft. Es hob hervor, dass beide Wege des Vermögensausgleichs selbstständig nebeneinander beschritten werden können: Entweder über den Weg des Zugewinnausgleichs oder über den Weg der Ehegatteninnengesellschaft. Beide Verfahren sind sogar nebeneinander möglich.
Das Kammergericht sah die Voraussetzung der Ehegatteninnengesellschaft erfüllt:

1. Ehegatteninnengesellschaft, wenn ein Zweck verfolgt wird, der über die Ehegemeinschaft hinausgeht

Die Ehegatten hatten mit dem Aufbau der Zahnarztpraxis einen über die Verwirklichung der Ehegemeinschaft hinausgehenden Zweck erfüllt, indem sie durch Einsatz von Vermögenswerten und Arbeitsleistungen gemeinsam ein Unternehmen aufbauten und dies gemeinsam betrieben. Es reicht aus, dass mit dem gemeinsamen Betreiben der Zahnarztpraxis zwar nicht wesentliches Vermögen aufgebaut wurde, sondern letztlich nur der Lebensunterhalt der Ehegatten bestritten wurde. Dies genügt für einen „gemeinsamen planvollen und zielstrebigen Aufbau des Vermögens der Ehegatten“.

2. Weitere Voraussetzung: Gleichberechtigte Mitarbeit

Das Kammergericht bestätigte auch, dass der Ehemann gleichberechtigt in der Zahnarztpraxis mitgearbeitet hatte: Während noch das Amtsgericht diese Frage verneint hatte mit der Begründung, wenn der Ehemann kein Zahnarzt sei, könne er auch nicht gleichberechtigt in der Zahnarztpraxis mitarbeiten, verwies das Kammergericht zu Recht auf die geänderte Rechtsprechung. Früher hatte der Bundesgerichtshof eine gleichberechtigte Mitarbeit nur dann bejaht, wenn auch beide Ehegatten „annähernd gleichbedeutende“ Beiträge geleistet hatten.

In der neueren Rechtsprechung seit 30.06.1999 hat es der Bundesgerichtshof für ausreichend erachtet, wenn der mitarbeitende Ehegatte nur einen „wesentlichen bzw. einen nennenswerten Beitrag“ geleistet hat. Dies hat das Kammergericht in dem vorliegenden Verfahren bestätigt, da der Ehemann sowohl im zeitlichen Umfang gleiche Leistungen wie die Ehefrau erbrachte, die wirtschaftliche Seite der Zahnarztpraxis selbst verantwortete und auch für die Verbindlichkeiten der Zahnarztpraxis gehaftet hatte.

3. Aber: Keine direkte Klage auf Zahlung!

Das Kammergericht hat zwar die Ehefrau dazu verpflichtet, Auskunft über den Bestand der Ehegatteninnengesellschaft zu erteilen und diese Auskunft zu belegen. Den weiteren Antrag des Ehemannes auf Ausgleichszahlung hat das Kammergericht jedoch abgewiesen.
Als Begründung führt das Kammergericht aus, der Ehemann müsse zunächst eine Abrechnung der Ehegatteninnengesellschaft vorlegen. Diese müsse sich auf den Stichtag der Beendigung der Ehegatteninnengesellschaft beziehen. Erst nach Vorlage dieser Auseinandersetzungsbilanz bzw. Abfindungsbilanz könne sein Abfindungsguthaben ermittelt werden. Es müsse daher nach Auskunftserteilung der Ehefrau von Seiten des Ehemannes diese Abfindungsbilanz erstellt werden. Sollte sich die Ehefrau dann weigern, das Guthaben an ihn auszuzahlen, so müsse der Ehemann eben erneut Klage vor dem Familiengericht erheben.

Unser Rat als Scheidungsanwalt:

In diesem Fall hatten wir den Ehemann vertreten. Fälle der Ehegatteninnengesellschaft sind selten, nehmen jedoch zu. Grund hierfür ist, dass die Rechtsprechung zur Ehegatteninnengesellschaft vor vielen Jahren vom Bundesgerichtshof begründet wurde, dann jedoch in den Hintergrund gedrängt wurde. Erst seit dem Jahre 1990 hat die Ehegatteninnengesellschaft quasi eine Renaissance erfahren.

Die Ehegatteninnengesellschaft ergibt sich nicht direkt aus dem Familienrecht. Dies ist der Grund, weshalb auch viele Scheidungsanwälte und Fachanwälte im Familienrecht von diesem Rechtsinstitut der Ehegatteninnengesellschaft keine oder wenig Ahnung haben. Die Rechtsfolgen ergeben sich dann nämlich aus dem Gesellschaftsrecht.

Auch ist weitgehend unbekannt, dass ein Ausgleich über das Recht der Ehegatteninnengesellschaft neben dem Ausgleich über den Zugewinnausgleich erfolgen kann. Die Ehegatteninnengesellschaft ist also nicht subsidiär! Dies macht die Ehegatteninnengesellschaft in vielen Fällen attraktiv, in denen nämlich ein Zugewinnausgleich nicht zum Ziel führt: Wie in dem vom Kammergericht entschiedenen Verfahren kann ein Ausgleich über den Zugewinnausgleich häufig deshalb nicht erfolgen, weil das Endvermögen eines Ehegatten niedriger ist als sein Anfangsvermögen bzw. Erbschaften. Der andere Ehegatte geht dann leer aus.

Da jedoch im Rückblick die Zusammenarbeit im Rahmen der Ehegatteninnengesellschaft so behandelt wird, als hätte man von Anfang an eine Gesellschaft gegründet und geführt, ergibt sich der Ausgleich aus dem Gesellschaftsrecht. Das bedeutet also, der andere Ehegatte erhält die Hälfte des Gesellschaftsvermögens – also die Hälfte des Wertes der Zahnarztpraxis.

Die Ehegatteninnengesellschaft kann in zahlreichen Fällen angenommen werden: Auch in Fällen, in denen z. B. Ehegatten gemeinsam ein Immobilienvermögen aufbauen und hierfür gemeinsam Geld und Arbeitsleistungen investieren und für Kredite haften. Anders ist jedoch der Erwerb und die Finanzierung eines Eigenheims zu behandeln: In der Regel liegt diesbezüglich keine Ehegatteninnengesellschaft vor.

Kritisch ist jedoch der Ansatz des Kammergerichts zu betrachten, dass zunächst eine Abfindungsbilanz erstellt werden müsste. In klaren Fällen, in denen z. B. ein Ehegatte aus der Ehegatteninnengesellschaft ausscheidet und die Ehegatteninnengesellschaft vom anderen Ehegatten alleine fortgeführt wird, ist nach Gesellschaftsrecht keine Ausgleichsbilanz erforderlich. In diesen Fällen ist nämlich klar, wer das Gesellschaftsvermögen weiter behält. In diesen Fällen ist ein Ausgleich einfach. Das Gesellschaftsvermögen in den Händen des verbleibenden Ehegatten muss bewertet werden und zur Hälfte an den ausscheidenden Ehegatten ausgezahlt werden. Hier ist gerade keine Abfindungsbilanz und kein erneutes Klageverfahren erforderlich. Dies hatte das Kammergericht aus unserer Sicht übersehen.

Den Ehegatten war nach Abschluss des Verfahrens klar, dass ein Ausgleich zu leisten ist und wie dieser zu errechnen ist. Wenige Wochen nach Abschluss des Verfahrens vor dem Kammergericht einigten sich beide Ehegatten vor dem Notar auf einen gerechten Ausgleich.

 

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