Scheidung Berlin
Fachanwalt Scheidungsrecht Berlin

Bewertung einer freiberuflichen Praxis im Zugewinnausgleich

Bei Selbständigen in Trennung und Scheidung stellt sich die Frage, wie die freiberufliche Praxis als Vermögenswert zu bewerten ist.

I. Bewertung einer freiberuflichen Praxis

Die Auseinandersetzung einer freiberuflichen Praxis im Falle der Trennung und Scheidung stellt eine besondere Herausforderung dar. Dabei handelt es sich z. B. um die Bewertung einer Arztpraxis, einer Steuerberaterkanzlei, einer Apotheke oder Ähnliches.

Grundsätzlich ist zu berücksichtigen, dass eine freiberufliche Praxis einerseits Einkommen abwirft, andererseits jedoch als Vermögenswert auch veräußert werden kann, und damit auch als Kapitalwert zu berücksichtigen ist.

Einkommen einerseits wird über den Ehegattenunterhalt grundsätzlich hälftig mit dem anderen Ehegatten geteilt. Vermögenswerte andererseits werden jedoch im Zugewinnausgleich zur Hälfte ausgeglichen, sofern keine Gütertrennung vereinbart wurde.

Im Ergebnis würde also der Wert z. B. einer Arztpraxis zu 100 % an den anderen Ehegatten fließen – 50 % der Gewinne über den Unterhalt einerseits und 50 % als Vermögenswert in Zugewinnausgleich andererseits.

Da dies den Selbstständigen offenkundig benachteiligt, hat der BGH das Verbot der Doppelberücksichtigung postuliert. Der Unternehmenswert einer freiberuflichen Praxis (z. B. einer Arztpraxis) kann nicht sowohl im Unterhalt als auch im Zugewinn verteilt werden.

II. Wie löst man dieses Problem bei der Scheidung?

Bei der Unterhaltsberechnung wird in der Regel ein Durchschnitt der Gewinne der letzten 3 Jahre zur Einkommensberechnung herangezogen und daraus der Ehegattenunterhalt ermittelt. In der Regel erhält der andere Ehegatte 3/7 der bereinigten Einkünfte.

Kommt es dann in zweiten Schritt zur Berechnung des Zugewinnausgleichs, ist der Verkehrswert der Arztpraxis zu ermitteln. Hier gilt es jedoch, folgende Besonderheit zu beachten.

a) Verkehrswert der freiberuflichen Praxis, z. B. einer Arztpraxis

Der Verkehrswert einer freiberuflichen Praxis besteht zum einen aus dem Substanzwert (z. B. der Veräußerungswert der Computeranlage, eines etwa vorhandenen Lagers, des Fuhrparks usw.). Zum anderen wird der Verkaufswert einer freiberuflichen Praxis durch den sogenannten good will bestimmt.

Veräußert z. B. ein Arzt seine Praxis, so erhält er deutlich mehr als nur den reinen Sachwert der Computer und der Analysegeräte. Bei diesem Mehrwert handelt es sich um sogenannte immaterielle Faktoren wie z. B. Standort, Kundenstamm, Konkurrenzsituation und Ähnliches. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Faktoren losgelöst von der Person des Inhabers auf einen Nachfolger übertragbar sind. Dieser sogenannte good will hat also einen Marktwert.

Schließlich bestimmt als dritter Faktor auch der Ruf und das Ansehen des Inhabers den Erfolg seiner freiberuflichen Praxis. Dies wird erfasst durch den sogenannten individuellen Unternehmerlohn, der bei der Bewertung der freiberuflichen Praxis zu neutralisieren ist.

b) Die Bewertungsmethoden

Bei der Bewertung der freiberuflichen Praxis können verschiedene Bewertungsmodelle herangezogen werden. Im Familienrecht hat sich die sogenannte modifizierte Ertragswertmethode durchgesetzt.

Im Durchschnitt der letzten 3 bis 5 Jahre wird der jährliche Rohgewinn ermittelt. Dabei handelt es sich um die Praxiseinnahmen abzüglich Kosten, Betriebsausgaben und sonstigen Abschreibungen.

Von dem Rohgewinn wird der sogenannte individuelle Unternehmerlohn abgezogen. Aus dem individuellen Unternehmerlohn wird gleichsam auf der Ebene des Ehegattenunterhalts der Unterhalt berechnet; dieser wird also bereits zur Hälfte über den Ehegattenunterhalt an den anderen Ehegatten ausgeglichen. Deshalb muss dieser Unternehmerlohn bei der Zugewinnausgleichsberechnung neutralisiert werden, um einen doppelten Ausgleich zu verhindern.

Der individuelle Unternehmerlohn wird dabei grob geschätzt auf der Grundlage der wöchentlichen Arbeitszeit des Inhabers und des Tariflohns, der für die jeweilige Berufssparte für angestellte Mitarbeiter anzusetzen ist. Dieser Tariflohn wird erhöht um den Arbeitgeberzuschlag für die Lohnnebenkosten. Weiter wird die sogenannte latente Ertragssteuer abgezogen, die im Falle eines Verkaufes tatsächlich anfallen würde. Dabei spielen auch Gesichtspunkte wie z. B. das Alter des Inhabers eine Rolle. Hinzu kommen unter Umständen Steuervergünstigungen beim Verkauf einer Arztpraxis, sofern der veräußernde Arzt bereits das 55. Lebensjahr überschritten hat.

Die Berechnung folgt also nach dem Grundsatz:

zu a) Substanzwert

Sachwerte, Summe 10.000 €

 

zu b) good will

durchschnittlicher Rohgewinn der letzten 3 bis 5 Jahre 200.000 €
individueller Unternehmerlohn -80.000 €
Arbeitgeberzuschläge -12.000 €
Zwischenergebnis 108.000 €
zuzüglich Sachwert (oben a)) +10.000 €
Zwischenergebnis 118.000 €
latente Ertragssteuer (hier 35 %) -41.000 €
Zwischenergebnis 77.000 €
multipliziert mit Rentenbarfaktor (einschließlich Faktoren: Basiszinssatz, Zuschlag für allgemeines Unternehmerrisiko, Abzinsung der Zukunftsgewinne und dreijähriger Nachhaltigkeitsfaktor) z. B. 1,4
Ertragswert 107.800 €

 

Zur Berechnung des Zugewinnausgleichs wird im Ergebnis der Verkehrswert der Praxis mit 107.800 € eingestellt. Es handelt sich um eine Berechnungsposition unter mehreren zur Bestimmung des Zugewinnausgleichs. Sollten z. B. noch Verbindlichkeiten vorhanden sein, so wird der Verkehrswert der Praxis mit dem Restwert der Verbindlichkeiten verrechnet.

III. Einigung ist besser

Es ist anzuraten, sich über den Verkehrswert der freiberuflichen Praxis außergerichtlich zu einigen. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass es für die Unternehmensbewertung große Ermessensspielräume gibt. Es sollte also nicht mit „spitzem Bleistift“ gerechnet werden.

Im Streitfalle bestellt das Familiengericht einen Sachverständigen, der den Wert der Praxis ermittelt. Bei Arztpraxen wird häufig auf die aktuellen Hinweise der Bundesärztekammer zur Bewertung von Arztpraxen zurückgegriffen.

 

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