Scheidung Berlin
Fachanwalt Scheidungsrecht Berlin

Verzicht auf Versorgungsausgleich im Ehevertrag kann unbillig sein

Der Verzicht auf den Versorgungsausgleich in einem Ehevertrag kann nachträglich unwirksam werden. Wird im Rahmen eines Ehevertrages z. B. auf Versorgungsausgleich verzichtet, so kann dieser Vertrag zwar beim Abschluss wirksam sein, verläuft die Ehe jedoch anders, als bei Vertragsschluss geplant, so ist es möglich, dass der Vertrag wegen Unbilligkeit anzupassen ist. Kriterium ist dabei der Ausgleich ehebedingter Nachteile beim Aufbau einer eigenen Altersversorgung (BGH Beschluss vom 27.2.2013,  Az. XII ZB 90/11)

Der Verzicht auf Versorgungsausgleich im Ehevertrag

Der BGH hatte folgenden Fall zu entscheiden: Die künftige Ehefrau hatte 1979 ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben und führte den Haushalt und betreute die beiden Kinder. Kurz darauf wurde die Ehe geschlossen. Der Ehemann übertrug seine Firma auf die Ehefrau. Im Zuge dessen vereinbarten die Eheleute per Ehevertrag die Gütertrennung  und den Ausschluss des Versorgungsausgleichs. In der Folgezeit erwarb der Ehemann keine Rentenansprüche. Dies änderte sich jedoch im Jahre 1991: Der Betrieb wurde aufgegeben und der Ehemann ging einer angestellten Tätigkeit nach. Ab diesem Zeitpunkt erwarb er gesetzliche Rentenansprüche sowie Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung.

Im Rahmen des Scheidungsverfahrens im Jahre 2009 führte das Familiengericht – entgegen der Regelung im Ehevertrag – den Versorgungsausgleich durch. Es übertrug der Ehefrau Versorgungsanwartschaften des Ehemannes, die dieser in der gesetzlichen Rentenversicherung und der betriebliche Altersversorgung erworben hatte.

Dagegen wendet sich der Ehemann mit seiner Beschwerde. Er berief sich darauf, durch den Ehevertrag sei der Versorgungsausgleich ausgeschlossen worden. Der Ehevertrag sei wirksam und auch im Verlauf der Ehe nicht unbillig geworden. Das Beschwerdegericht schloss sich jedoch der Auffassung des Familiengerichts an:

Der Ehevertrag sei zwar im Zeitpunkt der Unterzeichnung wirksam gewesen, denn damals hätte der Ehemann keine Rentenanwartschaften erworben und die Ehefrau hätte im Versorgungsausgleich dementsprechend auch keine Rentenanwartschaften übertragen erhalten. Ein Ehevertrag ist nur dann bereits zum Zeitpunkt der Unterzeichnung unwirksam, wenn dieser bei objektiver Gesamtwürdigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ungerecht erscheint. Dabei ist auch in subjektiver Hinsicht zu prüfen, ob einer der Ehegatten die Tragweite des Vertrages überblickt hat oder sich z. B. wegen bestehender Schwangerschaft oder wegen Rechtsunkenntnis oder aus sonstigen Gründen zu dem Vertragsschluss drängen ließ.

Der BGH hatte hier keine Bedenken gegen die anfängliche Wirksamkeit des Vertrages.  Allerdings sei im Laufe der Ehe eine erhebliche Änderung eingetreten, die den Vertrag nun unbillig erscheinen lasse. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn sich der Ehemann nun darauf berufe, im Ehevertrag sei der Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Nachdem der Ehemann nämlich eine angestellte Tätigkeit aufgenommen hatte, habe er erhebliche Rentenanwartschaften erworben, die die Ehefrau im Versorgungsausgleich zur Hälfte erhalten solle.

Trotz Wirksamkeit des Vertrages – der Ehemann darf sich nicht auf den Verzicht auf Versorgungsausgleich berufen

Ein wirksamer Ehevertrag ist einer Ausübungskontrolle zu unterziehen. Es ist zu prüfen, ob es einem der Ehegatten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt ist, sich auf eine ihm günstige Regelung zu berufen. Maßstab für eine Ausübungskontrolle ist nicht der Zustand zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung. Entscheidend ist vielmehr der Verlauf der Ehe. Danach ist ein Ehevertrag unzumutbar, wenn aus der vereinbarten Regelung sich später eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt.

Muss ein Ehevertrag überprüft werden, kommt es auf die ehebedingten Nachteile an

Maßstab für die Billigkeit eines Vertrages seien die sogenannten ehebedingten Nachteile. Hat ein Ehegatte ehebedingte Nachteile erlitten, so sind diese auszugleichen. Wird im Rahmen eines Ehevertrages auf den Versorgungsausgleich verzichtet, besteht das Risiko, dass derjenige Ehegatte im Alter keine Altersversorgung hat, der wegen Kinderbetreuung und Haushaltsführung keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und keine eigene Altersvorsorge aufgebaut hat.

In dem vorliegenden Fall urteilte der BGH daher, dass ab dem Jahre 1991 ein Versorgungsausgleich durchzuführen sei und dass sich der Ehemann nicht auf den Verzicht im Ehevertrag berufen kann. Ab dem Jahre 1991 ist nämlich die Ehe anders verlaufen als ursprünglich geplant. Der Ehemann habe aufgrund seiner angestellten Tätigkeit eigene Rentenvorsorge betrieben. Es sei unbillig, die Ehefrau nicht hieran zu beteiligen, wenn sie wegen der ehelichen Rollenverteilung an dem Erwerb von Versorgungsanwartschaften gehindert war.

Ein Versorgungsausgleich ist nach Ansicht des BGH im Ergebnis so durchzuführen, dass die Ehefrau diejenigen Versorgungsanwartschaften im Versorgungsausgleich erhält, die sie hätte, wenn sie kein Kind zu betreuen gehabt hätte. Der ehebedingte Nachteil besteht darin, dass die Ehefrau wegen der ehelichen Rollenverteilung auf eigene Erwerbstätigkeit verzichtet hatte, um die Kinder zu betreuen und den Haushalt zu führen. Der ehebedingte Nachteil besteht aber nur in der daraus resultierenden Minderversorgung, die nun im Versorgungsausgleich aufzufüllen ist. Die Ehefrau kann also nicht einfach verlangen, dass der Versorgungsausgleich insgesamt durchgeführt wird. Damit würde sie nämlich unter Umständen eine höhere Versorgung übertragen bekommen, als sie selbst hätte aufbauen können.

Am Rande prüfte der BGH auch den Einwand des Ehemannes, die Ehefrau habe innerhalb der Ehe schwarz gearbeitet und deshalb keine eigenen Versorgungsanwartschaften erworben. Es sei nun für ihn unbillig, ihre fehlenden Versorgungspunkte aufzufüllen. Der BGH verwies den Ehemann darauf, dass er diese Schwarzarbeit der Ehefrau innerhalb der Ehe zumindest gebilligt habe und sich nunmehr nicht zum Nachteil der Ehefrau darauf berufen dürfe.

Der Rat vom Scheidungsanwalt:

Sehr häufig werden nach der Trennung Eheverträge auf den Prüfstand gestellt. In vielen Fällen sind sie unwirksam oder jedenfalls anzupassen. Der Grund hierfür liegt darin, dass sich die Rechtsprechung seit dem Jahre 2001 grundlegend gewandelt hat. Seitdem sind Eheverträge einer umfangreichen Wirksamkeitsprüfung zu unterziehen. Zu prüfen ist, ob Eheverträge von Anfang an unwirksam sind oder ob sie mit dem tatsächlichen Verlauf der Ehe nach Vertragsschluss nicht in Einklang zu bringen sind.

Selbst wenn Eheverträge bei Abschluss nicht ungerecht und daher wirksam waren, kann es im weiteren Verlauf der Ehe Änderungen geben, die damals nicht so geplant waren. In diesen Fällen ist der Vertrag zwar insgesamt wirksam, einzelne Regelungen sind jedoch anzupassen. Hier ist besondere Vorsicht geboten. Im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung ist der gesamte Verlauf der Ehe zu überprüfen, um die Gültigkeit des Ehevertrages richtig einschätzen zu können.

In jedem Falle ist es sinnvoll, Eheverträge bereits während noch intakter Ehe von Zeit zu Zeit anzusehen und ggf. überprüfen zu lassen. Im Falle einer Trennung sollte möglichst frühzeitig eine einvernehmliche Lösung gesucht werden. Entbrennt der Streit über die Wirksamkeit des Ehevertrages, so sind jahrelange Verfahren und sehr hohe Kosten vorprogrammiert.

 

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